Als Salzmünder Kultur (auch Salzmünder Gruppe) bezeichnet man eine Untergruppe der neolithischen Trichterbecherkultur (TBK) im Mittelelbe-Saale-Gebiet. Sie existierte zwischen 3400 und 3000 v. Chr.

Die Abgrenzung der Mittel- und Ostdeutschen Gruppen, Hutberg-Gruppe, Bernburger Gruppe, Walternienburg, Salzmünde und Schöningen untereinander ist notorisch schwierig und variiert von Autor zu Autor stark. Deshalb plädiert Johannes Müller dafür, sie alle als Untergruppen der Trichterbecherkultur zu bezeichnen.

Der eponyme Fundort, Salzmünde-Schiepzig (Saalekreis), wurde 1921 von Nils Niklasson ergraben. Er ordnete die Funde einer „nordischen Kultur“ zu, die auch Baalberger Funde umfasste. 1938 fasste Paul Grimm die „nordische Kultur“ Niklassons mit den Opperschöner Kannen zur Salzmünder Kultur zusammen. Opperschöner Kannen, nach der Wüstung Opperschöner Mark bei Niemberg im Saalekreis benannt, waren fast nur aus Gräbern bekannt. Die zugehörige Siedlungsware lief unter der Bezeichnung „Nordische Keramik“.

Salzmünde gehört nach der norddeutschen Chronologie (Joachim Preuß, Jonas Beran, Hermann Behrens) zum Mittelneolithikum, nach der süd- und westdeutschen Chronologie Jens Lünings zum Jungneolithikum. Der Salzmünder Keramikstil wird im Mittelelbe-Saalegebiet den dortigen Trichterbecherphasen TRB-MES IV und V zugeordnet. In Böhmen gehört die letzte Stufe der Trichterbecherkultur (TRB C) zur Salzmünder Kultur. Sie liegt hier später als die mitteldeutschen Funde.

Verlauf

Die Salzmünder Kultur hat sich nach Aussage von Jonas Beran aus der Hutberg-Gruppe entwickelt.

Harald Meller sieht das Verschwinden der Salzmünder Kultur als unmittelbare Folge des kriegerischen Vordringens der Bernburger Kultur von Norden her, begründet durch die vollständige Verdrängung der einen Materialkultur durch die andere, die Zunahme von Befestigungen sowie populationsgenetische Indizien. Dieser Fall sei typisch für den mitteldeutschen Raum, dessen fruchtbare Löss- und Schwarzerdeböden wiederholt Eindringlinge aus dem unfruchtbareren Norden angelockt habe.

Siedlungsweise

Neben meist unzureichend erforschten bzw. unpublizierten offenen Siedlungen sind von der Salzmünder Kultur auch umfriedete Höhensiedlungen bekannt, wie Halle, Dölauer Heide, Salzmünde-Schiepzig, Mücheln und Wallendorf. Beran möchte Halle-Heide und Wallendorf allerdings der Hutberg-Gruppe zuordnen.

Die Siedlung von Halle, Dölauer Heide war von einem etwa zwei Meter tiefen Graben umgeben, in dessen Innern Palisaden standen. Die unregelmäßig geformte Umfriedung umschloss die gesamte Hochfläche des Berges und war durch mindestens zwei Tore erschlossen. Salzmünde-Schiepzig wurde im Zuge des Sandabbaus zerstört und ist nur unzureichend publiziert.

Die Siedlung von Karsdorf, Burgenlandkreis lieferte zahlreiche Funde der Salzmünder Kultur, hier liegen aber nur Vorberichte vor.

Materielle Hinterlassenschaften

Kennzeichnend für Salzmünde sind ein- oder zweihenklige Kannen vom Oppenschöner Typ, Amphoren, Trichterrandschüsseln und verzierte Tontrommeln.

Die Prunkäxte

Auch die verzierten Prunkäxte vom sächsischen Typ werden oft Salzmünde zugerechnet, es handelt sich aber überwiegend um Einzelfunde. Es sind 14 Prunkäxte bekannt, die der Salzmünder Kultur zugeschrieben werden. Ihre Fundorte liegen – bis auf zwei Ausnahmen – auf einem Halbbogen um das jungsteinzeitliche Großsteingrab Langeneichstädt und den Fundort der Himmelsscheibe von Nebra. Die vollständig erhaltenen Äxte befinden sich heute bis auf eine Ausnahme im Landesmuseum für Vorgeschichte (Halle (Saale)). Koneckis deutet die Gravierungen auf der Axt von Wegwitz als neolithischen Lunarsolarkalender. Zusätzlich sind auch Venusbeobachtungen festgehalten.

Bestattungssitten

Neben Siedlungsbestattungen und Bestattungen unter Grabhügeln kommen Steinkisten und Mauerkammergräber vor. Typisch ist jedoch die Erdbestattung und eine seitliche Hockerlage. Beigaben sind gewöhnlich spärlich.

Ausgrabungen der Höhensiedlung Salzmünde von 2005 bis 2008 erwiesen zahlreiche sogenannte Scherbenpackungsgräber, in denen Menschen – häufig gewaltsam getötet – nicht mit Aushub, sondern mit genau abgestimmten, stets verbrannten Materialien begraben wurden, zudem mit nur wenigen Beigaben. Nach 200 Jahren legten die Bewohner ein sehr großes Erdwerk an, das mit zwei Grabenzügen etwa 37 Hektar umschloss. In den Gräben wurden zahlreiche Gefäße und Knochen deponiert, v. a. aber hunderte menschliche Schädel ohne Unterkiefer. Die riesige Anlage wurde offenbar nur kurze Zeit genutzt. Die verantwortlichen Forscher des Museums für Vorgeschichte in Halle stellten die These auf, dass die Salzmünder, für die die Anlage angesichts der komplexen Bestattungen offenbar von großer Bedeutung war, diese unter dem zunehmenden, möglicherweise gewaltsamen Druck der von Norden kommenden Bernburger Kultur aufgaben und zuvor rituell dem Schutz ihrer Ahnen zu übergeben versuchten. Darauf deuteten die binnen kurzem ausgehobenen, etwa 4,5 Kilometer langen Umfassungsgräben und die dort massenhaft deponierten Schädel. Forensische Befunde und ethnologische Vergleiche, bspw. mit Melanesien und den Kelten, legen nahe, dass die Schädel zuvor lange Zeit sorgfältig gelagert worden waren, möglicherweise in Gebeinhäusern für die Ahnen, die beim Verlassen planmäßig niedergebrannt wurden. Die nachrückenden Bernburger hätten diesen „Bann“ des Ahnenkultes dann rituell durch eine eigene (Neu-)Bestattung an prominenter Stelle gebrochen.

Innere Gliederung

Jonas Beran schlug eine Periodisierung der Salzmünder Kultur in folgende Stufen vor:

  • Zauschwitz
  • Mücheln

Es liegt eine Reihe von 14-C-Daten vor. Aufgrund der radiometrischen Daten wird bei der Keramik Salzmünde A, B und C unterscheiden, die den jeweiligen Trichterbecherstufen zugeordnet werden können.

Einzelnachweise

Literatur

  • Jonas Beran: Untersuchungen zur Stellung der Salzmünder Kultur im Jungneolithikum des Saalegebietes (= Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas. Band 2). Beier & Beran, Wilkau-Haßlau 1993.
  • Kulturbund der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.): Typentafeln zur Ur- und Frühgeschichte. [Redaktion R. Feustel/S. Barthel] Weimar 1972.
  • Ralf Koneckis und Theodor Schmidt-Kaler: Neolithische Kalender auf den Prunkäxten der Salzmünder Kultur in Nuncius Hamburgensis – Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften, Band 8: Prähistorische Astronomie und Ethnoastronomie, Gudrun Wolfschmidt (Hrsg.), Hamburg 2008, ISBN 978-3-8370-3131-7.
  • Harald Meller (Hrsg.): 3300 BC. Mysteriöse Steinzeittote und ihre Welt. Sonderausstellung vom 14. November 2013 bis 18. Mai 2014 im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle. Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt/Landesmuseum für Vorgeschichte, Nünnerich-Asmus, Mainz 2013, ISBN 978-3-943904-33-8.
  • Harald Meller, Susanne Friederich (Hrsg.): Salzmünde-Schiepzig – ein Ort, zwei Kulturen. Ausgrabungen an der Westumfahrung Halle (A 143). Teil I (= Archäologie in Sachsen-Anhalt. Sonderband 21/I). Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) 2014, ISBN 978-3-944507-02-6.
  • Harald Meller, Susanne Friederich (Hrsg.): Salzmünde – Regel oder Ausnahme? Salzmünde – rule or exception? (= Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle. Band 16). Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) 2017, ISBN 978-3-944507-11-8.
  • Johannes Müller: Soziochronologische Studien zum Jung- und Spätneolithikum im Mittelelbe-Saale-Gebiet (4100-2700 v. Chr.). Vorgeschichtliche Forschungen 21. Rahden, Leidorf 2001.
  • Johannes Müller: Radiocarbonchronologie – Keramiktechnologie – Osteologie – Anthropologie-Raumanalyse. Beiträge zum Neolithikum und zur Frühbronzezeit im Mittelelbe-Saale-Gebiet. 80. Ber. RGK 1999, 25–211.
  • Joachim Preuß: Das Neolithikum in Mitteleuropa, Kulturen – Wirtschaft – Umwelt vom 6. bis 3. Jahrtausend v. u. Z. Weißenbach, Beier und Beran 1996.
  • Giannina Schindler: Salzmünder Kultur. In: H.-J. Beier und R. Einicke (Hrsg.): Das Neolithikum im Mittelelbe-Saale-Gebiet. Eine Übersicht und ein Abriß zum Stand der Forschung. Verlag Beier & Beran. Wilkau-Hasslau. 1994. 145–158, ISBN 3-930036-05-3.
  • Björn Schlenker, Robert Ganslmeier, Susanne Friederich: Der Grabritus der Salzmünder Kultur Mitteldeutschlands – Ein schwer zu beurteilendes Phänomen des 4. Jts. v. Chr. In: Christian Meyer et al. (Hrsg.): Der Zahn der Zeit – Mensch und Kultur im Spiegel interdisziplinärer Forschung. Festschrift für Kurt W. Alt (= Veröffentlichungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen Anhalt. Band 77). Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) 2020, ISBN 978-3-944507-81-1.

Weblinks

  • Liste von 14-C-Daten
  • Museum digital: Salzmünder Kultur
  • [1] Foto der Prunkaxt von Radewell (1939)

Pferdeschädel der Salzmünder Kultur aus Salzmünde Landesmuseum für

Regionale Kulturstätten im SalzburgerLand SalzburgerLand Magazin

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